Aufsetzen der Unternehmensstruktur – Ertragsteuerrechtliche Vorteile der Implementierung einer Holdingstruktur für Startups

Aufsetzen der Unternehmensstruktur – Ertragsteuerrechtliche Vorteile der Implementierung einer Holdingstruktur für Startups
In einer dynamischen Welt der Startups und Wachstumsunternehmen kommt der Optimierung der Unternehmensstruktur eine entscheidende Bedeutung im Hinblick auf den nachhaltigen Erfolg zu. Die Erfahrungen aus der Beratung von Startups und Wachstumsunternehmen zeigen, dass diese regelmäßig vor der Herausforderung stehen, ihre Struktur möglichst effizient zu gestalten, um sowohl aus steuerrechtlicher Sicht vorteilhaft aufgestellt zu sein als auch die Organisation der einzelnen Geschäftsbereiche zu optimieren. Die möglichst frühzeitige Implementierung einer Holdingstruktur kann hierbei von entscheidender Bedeutung sein.
Interview
SHE Innovates:Tobias, Du berätst bei KPMG Startups und Wachstumsunternehmen. Beginnen wir mit der Gründung. Wie sieht die nach Deiner bisherigen Erfahrung ausertragsteuerrechtlicher Sicht vorteilhafteste Gründungsstruktur aus?
Tobias: Ausertragsteuerrechtlicher Sicht halte ich die Implementierung einer Holdingstruktur bereits im Zeitpunkt der Gründung für äußerst vorteilhaft. Beidieser Struktur fungiert eine sogenannte Holdinggesellschaft als unmittelbare Gesellschafterinder operativen Tochtergesellschaft(en). Die Gründer:innen sind unmittelbar an dieser Holdinggesellschaft beteiligt. Wobei grundsätzlich auch die Möglichkeitbesteht, dass jeder Gründende eine eigene persönliche Holdinggesellschaft gründet, über welche die Beteiligung an der operativen Gesellschaft gehaltenwird.
Die Holdinggesellschaftübernimmt zentrale Verwaltungsaufgaben. Unterhalb der Holdinggesellschaftkönnen diverse Tochterunternehmen angesiedelt werden, welche jeweils in unterschiedlichen Geschäftsbereichen oder Projekten tätig sind. Dies führt zu einer Isolierungetwaiger Risiken auf die jeweilige Tochtergesellschaft und kann sich alsförderlich für die Fokussierung auf spezifische Marktsegmente erweisen.
Zudem ist eine klare undstrukturierte Unternehmensorganisation für potenzielle Investoren attraktiver, da dadurch Transparenz geschaffen wird und eine klare Strategie auch nach außenhin sichtbar wird.
SHE Innovates:Was ist bei dem Aufbau einer Holdingstruktur zu beachten? Welche Gesellschaftsform sollte als Holdingsgesellschaft fungieren?
Tobias: Ander Spitze einer Holdingstruktur sollte eine Kapitalgesellschaft stehen – sprich in erster Linie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Zwecks Gründung einer GmbH ist eine notarielle Beurkundung der sogenannten Satzung undeine Eintragung in das Handelsregister erforderlich. Ferner ist das Mindeststammkapital von 25.000 EUR zu beachten.
SHE Innovates: Gibtes denn auch eine Alternative, um eine Holdingstruktur zu gründen, wenn ichnicht die Möglichkeit habe, 25.000 EUR Stammkapital aufzubringen?
Tobias: Mirist zunächst wichtig zu betonen, dass das aufgebrachte Stammkapital insbesondere die finanzielle Stabilität und Seriosität signalisiert und damit Vertrauen bei Investoren und Geschäftspartnern schaffen kann. Die höheren Gründungskosten und der Verwaltungsaufwand werden also durch Zugewinne in Sachen Reputation ausgeglichen.
Aber es gibt auch eine Alternative. Die sogenannte Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist ebenfalls eine Kapitalgesellschaft und kann bereits theoretisch mit einem Stammkapital von nur 1 EUR gegründet werden. Insbesondere bei begrenztem Kapital bietet die UG (haftungsbeschränkt) eine kostengünstigere und einfachere Möglichkeit, eine Holdingstruktur zu etablieren.
SHE Innovates: Jetzt wissen wir schon, welche Gesellschaftsform bei der Gründung einerHoldingstruktur an der Spitze stehen sollte. Welche Vorteile bietet denn grundsätzlich das Implementieren einer Holdingstruktur?
Tobias: Eine Holdingstruktur trägt erheblich zu einer zeitweisen Optimierung der ertragsteuerlichen Belastung der Gründer:innen bei, indem Gewinnausschüttungen der operativen Tochtergesellschaften an die Holdinggesellschaft zu 95% ertragsteuerbefreitsind, sofern sich die Beteiligung mindestens 10 % für körperschaftsteuerliche Zwecke bzw. 15 % für gewerbesteuerliche Zwecke beträgt. Gewinne aus derVeräußerung von Beteiligungen durch die Holdinggesellschaft sind sogar unabhängigvon der Beteiligungshöhe zu 95% ertragssteuerbefreit. Dies stellt einenerheblichen ertragsteuerlichen Vorteil im Vergleich zu einer sofortigen Besteuerung auf privater Ebene des Gründenden unter Anwendung des persönlichen Einkommensteuertarifs dar.
Ferner kann di eImplementierung einer Holdingstruktur verbunden mit der Begründung mehrereroperativer Tochtergesellschaften zu einer Isolierung etwaiger Risiken ausunterschiedlichen geschäftlichen Aktivitäten der jeweiligen Tochtergesellschaftdienen.
Neue Geschäftsbereichekönnen als weitere Tochtergesellschaften gegründet werden, ohne die bestehende Struktur zu verändern. Gleichzeitig können einzelne Geschäftsbereiche zu 95% ertragssteuerbefreit veräußert werden, wodurch strategische Anpassungenerleichtert werden.
SHE Innovates: Dasklingt alles vernünftig. Was kann ich als Unternehmer:in tun, wenn ich bereitsgegründet, aber noch keine Holdingstruktur implementiert habe? Kann ich auch nachträglich eine solche Struktur errichten?
Tobias: Eine Möglichkeit für die Implementierung einer Holdingstruktur bei bereits bestehenderoperativer Gesellschaft stellt beispielsweise ein Anteilstausch dar.
Grundsätzlich ist der Vorgang bei einem Anteilstausch wie folgt: Eine erwerbende Gesellschaft, imvorliegenden Fall die neu gegründete Holdinggesellschaft, erhält eine Beteiligungan dem Gesellschaftskapital der übertragenden Gesellschaft. Die bisherigen Gesellschafter:innen der übertragenden Gesellschaft erhalten im Gegenzug Anteile an der Holdinggesellschaft.
Die erwerbende Holdinggesellschafthat die eigebrachten Anteile grundsätzlich mit dem Marktwert anzusetzen. Fürdie beteiligten Gesellschafter:innen gilt der Marktwert als Veräußerungspreisfür die eingebrachten Anteile und zugleich als Anschaffungskosten dererhaltenen Anteile. Der daraus resultierende Gewinn wäre bei den Gesellschafter:innender Besteuerung mit Einkommensteuer zu unterwerfen.
SHE Innovates: Dasbedeutet aber, dass Gesellschafter:innen, obwohl sie keinen entsprechendenLiquiditätszufluss beziehen, dennoch eine Steuerlast tragen müssten. Gibt esauch eine Möglichkeit ohne ertragssteuerliche Belastung der Gesellschafter:innen?
Tobias: Wirdder erwerbenden Gesellschaft die Mehrheit der Anteile an der übertragenden Gesellschaft gewährt, handelt es sich um einen sogenannter qualifizierter Anteilstausch. Sofern hierbei bestimmte, gesetzlich normierte Voraussetzungerfüllt sind, kann die Übertragung zu Buchwerten, also in der Regel mit den Anschaffungskosten, erfolgen – sprich der Veräußerungsgewinn würde sich somitauf 0 EUR belaufen und eine Besteuerung ohne Liquiditätszufluss könntevermieden werden.
SHE Innovates: Wasmuss ich bei der Übertragung zu Anschaffungskosten berücksichtigen?
Tobias: Beieiner Übertragung zu Anschaffungskosten ist neben einem fristgerechten Antrag zwingenddie damit einhergehende Sperrfrist für die Veräußerung der Anteile von sieben Jahren zu beachten. Das bedeutet, dass innerhalb der vorgenannten Sperrfristinsbesondere keine der erhaltenen Anteile veräußert werden dürfen. Erfolgtdennoch eine Veräußerung, ist rückwirkend für die Übertragung der Marktwert anzusetzenund der Gewinn aus dem Anteilstausch entsprechend nachträglich mit privater Einkommensteuer zu besteuern. Hierfür stehen den Gründer:innen dann aber die Erlöse aus der Veräußerung zur Verfügung. Außerdem wird der Gewinn aus dem Anteilstausch jeweils um ein Siebtel für jedes abgelaufene Zeitjahr seit dem Übertragungszeitpunkt gemindert.
SHE Innovates:Was ist zum Abschluss Dein Tipp für alle Gründer:innen, die sich mit derStruktur ihres Unternehmens beschäftigen?
Tobias: Mein Tipp wäre, unbedingt möglichst frühzeitig professionelle Unterstützung inrechtlichen sowie steuerrechtlichen Belangen hinzuzuziehen. Für diese Beratungsleistungen fallen zwar in der Frühphase entsprechende Honorare an,diese können jedoch ggf. im späteren Lebenszyklus des Unternehmens wesentlichhöhere Honorare für das nachträgliche Implementieren einer Holdingstruktur oderdie Beachtung von Sperrfristen ersparen.
Fazit
Das Aufsetzen der passenden Unternehmensstruktur bzw. die nachträgliche Implementierung einer Holdingstrukturerfordern erhebliches rechtliches sowie steuerrechtliches Fachwissen. Einerfahrener Rechtsanwalt sowie Steuerberater können bereits in der Frühphaseeines Startups effektiv bei der Implementierung der passenden Strukturunterstützen, sodass im weiteren Lebenszyklus etwaige für die Gründer:innennachteilige steuerrechtliche Fallstricke vermieden werden können.
Zur Person
Tobias Becker-Marxen istals Steuerberater und Manager im Bereich Corporate Tax Services bei KPMG in derBeratung von Startups und Wachstumsunternehmen tätig. Dabei arbeitet er eng mit Florian Merkel zusammen, der neben seiner Rolle als Director im BereichCorporate Tax als Head of Venture Services sämtliche Aktivitäten von KPMG im Bereich der wagniskapitalfinanzierten Wachstumsunternehmen und deren Finanzierer in Deutschland verantwortet. (Hinweis der Verfasser: Rechtliche Beratungsleistungen werden ausschließlich durch die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erbracht.)